Die schmalen, niedrigen Fährbootwagen der DB fielen in langen Güterzügen meist nicht auf, am wenigsten wohl die Rungenwagen. Deren Zahl war überschaubar und der Unterschied der drei Varianten kaum erkennbar.
In 2021 lieferte der Händler Modellbahn-Union eine Eigenentwicklung aus.
Der als DM-Toys im Maßstab N sehr aktive Händler überrascht erneut mit einem ungewöhnlichen H0-Modell. War das Liliput-Bachmann-Modell des Rbmms-55 im Fahrwerksbereich wenig gelungen, so kann man diesem Model attestieren, dass es die meisten aktuellen Fertigungsmöglichkeiten erfreulich eingesetzt hat - über alles bekommt der Käufer ein den Preis wirklich wertes, detailliertes und gut recherchiertes Modell. Erfreulicherweise stellt der Händler selbst eine kurze Dokumentation zu diesem Vorbild bereit.
Die Original-Wagen basieren insgesamt auf den ersten 25 Rbmms-55. Die zweite (30 in 1962) und dritte (100 in 1965) Lieferserie erhielten aber einige Änderungen:
Ab 2. Serie:
Geänderte Bordscharniere, an die Wagenenden verlegte Zurrösen/Lashings
3. Serie: Hochleistungspuffer "Elefantenfüße"
Gegenüber dem Liliput-Bachmann-Modell, das die 1. Lieferserie darstellen sollte, hat MU die Änderungen umgesetzt. Allerdings weisen alle MU-Rbmms die Hochleistungspuffer auf.
Das hier fotografierte Modell des 435 027 gehört zur 2. Lieferserie.
Das Fahrwerk entspricht im wesentlichen - wie auch beim Original - dem Schiebdach-Fährbootwagen, der 2019 von MU angeboten wurde.
- Die Zurrösen liegen unter den letzen Seitenrungen.
- Neben der auf dem Kontinent üblichen Druckluftbremsanlage Bauart Kunze-Knorr verfügt das Modell über eine
- Saugluftbremse Bauart Körting, wie sie in Großbritannien vorgeschrieben ist und
- Handbremshebel zur Bedienung durch Bremser in nicht durchgehen gebremsten Zügen - ein echtes, betriebliches Unikum
- innen profilierte Räder mit NEM-Maß
- eine leichtgängige, nur gering verlängernde Kurzkupplungskulisse mit NEM-Kupplungsaufnahme, die leicht demontierbar ist
- Halterungsrahmen für Rungen
- Feine Rangiererhaltegriffe unter der Pufferbohle aus Metall
- Feine, bei meinem Modell schiefe Rangierertritte diagonal angeordnet
- Zurüstbarer Zughaken, Bremskupplungen für Luft- und Vakuumbremse
Einige kleine, behebbare Fehler findet man am Fahrwerk:
- Der Vakuum-Bremsanlage (1) fehlt der Betätiger, der beim Tcefs montiert war
- Die Lage der Bremssteller wurde geändert. Dabei entfielen auf einer Wagenseite die Knebel, die mit einem Pinselstrich angedeutet sind (3, 4).
- Es fehlen die Stellstangen zu den Bremsstellern
- Der Handbremshebel hat im Vergleich zum Schiebedachwagen die 3. Dimension der Detaillierung eingebüßt (2).
- Der Lagerrahmen für die Rungen war bei meinem Modell trotz sehr guter Verpackung zerbrochen.
- Die Achspitzen sind gratig, für intensiven Betrieb so nicht geeignet.
- Die Pufferbohle ist brauch gefärbt, müsste schwarz sein (am braunen Aufbau angespritzt)
- Die NEM-Bügelkupplungen sind von geringer Fertigungsqualität. Die Kopffläche ist sehr uneben bis rauh mit einem Anspritzrest, der Bügel vorne nicht angeschrägt.
- Die Hochleistungspuffer sind für dieses Modell falsch, es müssten 35t-Puffer sein.
Der Aufbau setzt hier ganz besondere, eigene Akzente. Man sich sehr bemüht, den Boden möglichst niedrig zu legen. Zum Vergleich kann man allerdings nur wenige Modelle heranziehen, da die Industrie um die Rmms der DB einen großen Bogen macht. Einen normalen Rmms gibt es nur von Roco - aus den Formen, die ADE 1967 für TRIX gemacht hat. Da ergibt sich noch ein breites Betätigungsfeld. Vergleichbare Aufbauten haben auch die Rmms-33, die von Piko und als Rmmso-33 von FLEISCHMANN gebaut wurden. Besonders fein ist der Bausatz des Kibri-Rmms, der allerdings nur als Standmodel nutzbar ist, dafür aber auch mit einzeln abgebordeten Bordwänden darstellbar ist.
- Die Bordwände sind innen nicht graviert, es fehlen also Trennspalten und Riegelmulden
- Die Rungen sind nicht in Taschen und Ösen gesteckt, sondern werden horizontal in Bohrungen gesteckt.
Für die Nachbildung eines Wagens ohne Rungen können die Rungen gegen Ösen ausgetauscht werden, bei den Kopfrungen je 2 winzig kleine Ösen.
das ist eine innovative Lösung, die eine sehr maßstäbliche Darstellung ermöglicht, aber den "Spielwert" ggf. deutlich verringert - Die Blechrungen für die Seiten sind in zwei Ausführungen beigelegt
einmal mit "DB" Prägung(!) und
einmal ohne Prägung
Beide in beidseitig 3-dimensionaler Ausführung. - Die Kopfrungen sind aus feinem i-Profil und mit kleinen Zurringen, alle Rungen sind gelocht.
Die Anschriften erscheinen vollständig, mehrfarbig und fein gedruckt, mir fehlte für das Fertigungsjahr nur die zusätzliche Angabe der Bauart Lfs-t 569 nach UIC. Da diese auf dem Rahmen angebracht wäre, fällt dies nur bei genauer Betrachtung auf.
Bei der Umverpackung gab es eine bedauerliche Änderung: Hatte der Tecfs noch einen Pappschuber um den Karton, war es diesmal eine Cellophan-Folie. Es mag sein, dass dies aus klimatischen Gründen am Herstellungsort oder für den Transportweg notwendig wurde.
Mein Fazit: Modellbahn-Union kann so weitermachen. Die Lieferung kam sehr zügig, sehr sicher verpackt, wenn auch deshalb mit zuviel Plastikfolie.
Angekündigt hat der Anbieter den Fährbootkühlwagen Tnbhs30 auf demselben, passenden Fahrgestell. Ich freue mich darauf!
Text und alle Fotos © Will Berghoff 6/2021
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